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Energiespar-Contracting: Der Weg zur Ausschreibung

Was müssen öffentliche Auftraggeber tun, wenn sie sich entschieden haben, ein Energiespar-Contracting durchzuführen? Wie bereiten sie die Ausschreibung vor, welche Anforderungen müssen sie dabei erfüllen? Experten aus der Praxis erläutern, worauf dabei zu achten ist.

Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Konstanz. Die Stadt nimmt mit vier Gebäuden (1 Realschule, 1 Grundschule und 2 Gymnasien) am Modellvorhaben der dena teil. Foto: Stadt Konstanz

Energiespar-Contracting (ESC) bedeutet energetische Sanierung mit Einspargarantie: Ein spezialisierter Dienstleister, der so genannte Contractor, setzt Effizienzmaßnahmen in Gebäuden des Auftraggebers um. Dabei garantiert der Contractor, mit seinen Maßnahmen vorab vereinbarte Einsparziele zu erreichen. Der Auftraggeber zahlt dafür aus seinen Einsparungen bei den Energiekosten eine jährliche Vergütung an den Dienstleister. Dieser refinanziert damit wiederum seine getätigten Investitionen. Die Auftraggeber profitieren von personellen und finanziellen Ressourcen, Kompetenz und Erfahrung des Contracting-Partners. Das beschleunigt energetische Sanierungen erheblich.

Allerdings eignet sich ein ESC nicht für jedes Sanierungsvorhaben. Eine vorgeschaltete Orientierungsberatung zeigt, ob das Modell im konkreten Fall wirklich sinnvoll ist – und welche Alternativen die Eigentümer der Liegenschaften haben. Der Bund fördert diese Leistung im Rahmen der seit Anfang 2021 geltenden Förderrichtlinie „Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme (EBN)“. Detaillierte Informationen zum Ablauf einer Orientierungsberatung, zu ihren Vorteilen sowie zu möglichen Ergebnissen liefert dieser dena-Artikel.

Alle Abteilungen ins Boot holen

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, eine ämterübergreifende Fachgruppe einzurichten, die sich regelmäßig trifft. Viele Punkte lassen sich so auf dem kurzen Dienstweg erledigen.“

Gerald Hunn, Hochbauamt der Stadt Konstanz

Bei Liegenschaften der öffentlichen Hand werden ESC-Aufträge üblicherweise per funktionaler Ausschreibung vergeben. Dabei sollten von Beginn an alle betroffenen Behörden und Ämter eng eingebunden werden, sagt Gerald Hunn vom Hochbauamt der Stadt Konstanz. Die Kommune führt derzeit im Rahmen des dena-Modellvorhabens „Co2ntracting: build the future!“ eine ESC-Ausschreibung durch. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, eine ämterübergreifende Fachgruppe einzurichten, die sich regelmäßig trifft“, erklärt Hunn. Dort sind nicht nur Bau- und Umweltamt, sondern auch Kämmerei, Rechnungsprüfungsamt und Rechtsamt vertreten. Die Mitglieder der Konstanzer Projektgruppe stimmen sich über alle anstehenden Schritte ab, klären offene Fragen und tauschen Informationen aus. „Viele Punkte lassen sich so auf dem kurzen Dienstweg erledigen“, sagt Hunn. Zudem sei damit gewährleistet, dass alle Stellen der Stadt beim ESC an einem Strang ziehen.

Wie die anderen Teilnehmer des dena-Modellvorhabens auch hat die Stadt Konstanz zudem einen externen ESC-Berater hinzu gezogen, der den gesamten Entwicklungs- und Vergabeprozess begleitet. „Die ESC-Beratenden bringen ihre Erfahrungen ein, die sie in anderen Contracting-Projekten gewonnen haben. Das ist gerade für Kommunen, Landkreise und Bundesländer von Vorteil, die bislang noch kein ESC durchgeführt haben“, erläutert Cornelia Schuch, Teamleiterin Energieeffiziente Gebäude bei der dena.

Frühe Abstimmung mit Aufsichtsbehörden

Das enge Einbinden von Kämmerei und Rechtsamt ist auch mit Blick auf den rechtlichen Rahmen von Vorteil. Zwar sind ESC-Projekte öffentlicher Auftraggeber haushaltrechtlich grundsätzlich zulässig. Allerdings werden sie häufig als kreditähnliches Rechtsgeschäft eingestuft. „Die regelmäßigen Raten an den Contracting-Partner werden den Kommunen wie eine Kredittilgung angerechnet“, erklärt ESC-Berater Jürgen Holper, der im Rahmen des dena-Modellvorhabens ein Projekt begleitet. Dass die Raten aus Einsparungen bei den Energiekosten refinanziert werden und der Haushalt nicht oder nur geringfügig belastet wird, bleibt bei der Einstufung als kreditähnliches Rechtsgeschäft unberücksichtigt – ebenso die Tatsache, dass die künftig niedrigeren Energiekosten fest garantiert werden.

In vielen Bundesländern müssen sich die Kommunen ein ESC deshalb genehmigen lassen oder dieses gegenüber der Kommunalaufsicht anzeigen. Um rechtzeitig zu erfahren, welche Informationen die Aufsichtsbehörden zur Bewertung des Vorhabens benötigen, empfiehlt es sich, schon früh die Abstimmung mit ihnen zu suchen. Das gilt umso mehr für die Zusammenarbeit mit Behörden, die bislang keine oder nur wenig Erfahrung mit dem Instrument ESC haben.

Die dena sieht Genehmigungspflichten für ESC-Projekte in ihren derzeitigen Ausführungen kritisch. „Da der Bund die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand vorschreibt und zudem das Ziel verfolgt, Emissionen im Gebäudesektor zu senken, sollten Rahmenbedingungen für Energiedienstleistungen so ausgestaltet werden, dass Projekte flüssig umgesetzt werden können“, erklärt Schuch. „Das sorgt dafür, dass mehr ESC-Projekte durchgeführt und damit Sanierungen beschleunigt werden.“

Bessere Angebote durch sorgfältige Bestandsaufnahme

Um den ESC-Auftrag ausschreiben zu können, müssen die Auftraggeber gemeinsam mit den ESC-Beratenden vorab eine Bestandsaufnahme der zu sanierenden Liegenschaften vornehmen. Dazu gehört zum einen, den Zustand der Gebäude und der technischen Anlagen, etwa der Heizungsanlage und der Beleuchtung, zu erfassen. Zum anderen müssen sie die Verbrauchsdaten der Liegenschaften aus den vergangenen drei Jahren zusammentragen. Aus diesen und weiteren Daten wird dann in mehreren Schritten die so genannte Baseline erstellt, die den Dienstleistern später als Bezugsgröße für die Ermittlung der garantierten Einsparungen dient. Die Auftraggeber wiederum benötigen die Bestandsaufnahme, um kalkulieren zu können, wie ein ESC mit Blick auf Kosten und Einsparungen gegenüber einer Sanierung in Eigenregie abschneidet. Das Haushaltsrecht verpflichtet sie, vor der Vergabe einen solchen Vergleich vorzunehmen – auch wenn bei einer Eigensanierung in der Regel nicht so umfassend und schnell saniert wird.

„Je genauer, detaillierter und aussagekräftiger die Bestandsaufnahme ausfällt, desto besser können die Contracting-Dienstleister kalkulieren“

Martin Hack, Rechtsanwalt und Spezialist für Energie- und Umweltrecht

Der auf Energie- und Umweltrecht spezialisierte Rechtsanwalt Martin Hack, Partner der Hamburger Kanzlei Günther, rät dazu, bei der Erhebung des Status Quo größte Sorgfalt walten zu lassen – nicht nur, weil dies rechtlich geboten ist: „Je genauer, detaillierter und aussagekräftiger die Bestandsaufnahme ausfällt, desto besser können die Contracting-Dienstleister kalkulieren“, sagt der Jurist. „Das gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Sicherheitspuffer kleiner zu bemessen. In vielen Fällen erhalten die Auftraggeber dann erfahrungsgemäß günstigere Angebote.“ Zudem steige mit der Qualität der Bestandsaufnahme oft auch die Zahl der Bieter.

 

Auftraggeber können Klimaschutz-Vorgaben machen

Auf Basis der Bestandsaufnahme erstellen die Eigentümer der Liegenschaften dann eine detaillierte Leistungsbeschreibung. „Sie legt genau fest, welche energetischen Anforderungen die Contractoren erfüllen müssen“, erläutert Hack. Für eine Schule zum Beispiel könnte eine Kommune etwa vorgeben, dass die Klassenzimmer an Schultagen zwischen 7 und 16 Uhr auf 20 Grad beheizt werden – und die Turnhalle auf 18 Grad, dafür aber bis 22 Uhr, da sie nachmittags und abends von Vereinen genutzt wird.

Welche Maßnahmen die Dienstleister ergreifen, um die Anforderungen auf für sie wirtschaftliche Weise erfüllen zu können, bleibt im Prinzip ihnen überlassen. Allerdings ist es dem Auftraggeber erlaubt, in der Ausschreibung konkrete Vorgaben zu machen: „Sie können zum Beispiel Technologien ausschließen, die Heizöl und Erdgas als Brennstoff benötigen“, sagt Hack. Alternativ ist es möglich, bei der Vergabe eine Klimakomponente zu integrieren – etwa indem sie den Contractoren vorschreiben, die CO2-Emissionen der Liegenschaften um einen definierten Prozentwert zu reduzieren. Ebenso könnten sie bei der Vergabe neben den wirtschaftlichen Parametern zusätzlich den Treibhausgasausstoß zum Wertungskriterium machen oder auch einen höheren CO2-Preis bei der Wirtschaftlichkeit berücksichtigen.

Muster-Dokumente zum Download

„Die dena-Dokumente sind enorm hilfreich – damit kann meiner Erfahrung nach im Grunde nichts schief gehen.“

Jürgen Holper, ESC-Berater

Neben Bestandsaufnahme und Leistungsbeschreibung gehören noch einige weitere Dokumente in die Ausschreibungsunterlagen, allen voran der Erfolgsgarantie-Vertrag. Die dena bietet neben vielen anderen Vorlagen und Praxishilfen auch einen ESC-Mustervertrag zum kostenfreien Download. „Die dena-Dokumente sind enorm hilfreich – damit kann meiner Erfahrung nach im Grunde nichts schief gehen“, berichtet ESC-Berater Jürgen Holper.

Nicht zuletzt müssen die Auftraggeber auch noch festlegen, welches Vergabeverfahren angewandt werden soll. Schließlich erfolgt die Vergabebekanntmachung – über die amtlichen Veröffentlichungsblätter und Internetportale oder, bei europaweiten Ausschreibungen, über das elektronische Amtsblatt der EU. Damit ist das Vergabeverfahren eröffnet!

 

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Über den Autor

Ralph Diermann ist seit 2007 als freier Energiejournalist tätig, unter anderem für Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Technology Review, div. Fachzeitschriften. Er twittert unter @radiermann